Studienfinanzierung mit Autismus: BAföG, Stipendium und Co.
Bei der Studienfinanzierung für autistische Studierende geht es um zwei Dinge: Zum einen darum, das Studium selbst und den eigenen Lebensunterhalt zu finanzieren.
Zum anderen muss möglicherweise zusätzliche Unterstützung, wie zum Beispiel eine Studienassistenz, finanziert werden. Für diesen sogenannten behinderungsbedingten Mehrbedarf, also jegliche Hilfsmittel und Unterstützung, die du autismusbedingt brauchst, um erfolgreich studieren zu können, ist meist die Eingliederungshilfe zuständig.
Es gibt einige Möglichkeiten, das Studium zu finanzieren, und manche davon lassen sich auch kombinieren.
Ich werde sie hier kurz vorstellen und darauf eingehen, ob es Besonderheiten für Studierende im Autismus-Spektrum gibt.
Inhaltsverzeichnis
Elternunterhalt
Deine Eltern sind verpflichtet, dir eine Erstausbildung (dazu zählt auch ein Erststudium) zu finanzieren, wenn sie dazu finanziell in der Lage sind.
Ich nenne die Eltern gleich zu Beginn, weil du keinen Anspruch auf BAföG hast, wenn deine Eltern zu viel
Geld haben. Eine Ausnahme ist elternunabhängiges BAföG, dazu komme ich später.
BAföG
Wenn deine Ausbildung prinzipiell förderfähig ist (zum Beispiel ein Erststudium in Vollzeit), kann es sein, dass du Anspruch auf BAföG hast. Ob das tatsächlich der Fall ist, hängt vom Einkommen und Vermögen deiner Eltern und einigen anderen Faktoren ab.
Einen Teil des BAföGs musst du später zurückzahlen, sofern du genug verdienst. Du zahlst aber keine Zinsen.
Das BAföG sieht für behinderte Studierende einige Regelungen vor, die behinderungsspezifische Nachteile ausgleichen sollen. Für autistische Studierende heißt das zum Beispiel:
- Gegen Ende des 4. Semesters überprüft das BAföG-Amt üblicherweise, ob du die in der Studienordnung bis dahin vorgesehenen Leistungen tatsächlich erbracht hast. Wenn du nachweisen kannst, dass sich dein Studium autismusbedingt verzögert hat, kann diese Leistungsüberprüfung auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden.
- Wenn du wegen Autismus für dein Studium länger brauchst, kannst die auch über die Förderungshöchstdauer hinaus
für eine angemessene Zeit
BAföG bekommen. BAföG, das du wegen Autismus oder einer anderen anerkannten Behinderung über die Förderungshöchstdauer hinaus erhältst, musst du nicht zurückzahlen. - Bei der Prüfung des Elterneinkommens gibt es einen zusätzlichen Freibetrag, wenn du einen Schwerbehindertenausweis hast. Das gilt übrigens auch dann, wenn die Unterhaltspflichtigen selbst (Eltern oder Ehepartner*in) oder ein weiterer Unterhaltsberechtigter (zum Beispiel eines deiner Geschwister) behindert sind. Diese Freibeträge addieren sich.
- Unter sehr bestimmten Umständen gibt es auch Freibeträge beim Vermögen.
- Auch bei der Rückzahlung des BAföGs kann man zusätzliche Freibeträge geltend machen, wenn man einen Schwerbehindertenausweis hat.
Eine Sache, die nichts mit Autismus zu tun hat, aber trotzdem erwähnenswert ist: Es gibt unter bestimmten Umständen die Möglichkeit, elternunabhängiges BAföG zu bekommen. Ein paar Tipps dazu findest du auf StudierenPlus.de.
Die Regeln rund ums BAföG ändern sich hin und wieder. Aktuelle Informationen findest du unter BAföG.de, oder direkt im BAföG-Gesetz (Volltext).
Selbst wenn du nicht glaubst, Anspruch auf BAföG zu haben, kann es sich lohnen, einen Antrag zu stellen, weil du den Ablehnungsbescheid unter Umständen brauchst, um andere Leistungen zu bekommen.
Stipendien
Stipendien sind eine gute Möglichkeit der Studienfinanzierung. Der große Vorteil: Du musst das Geld nicht zurückzahlen.
Allerdings musst du einiges an Mühe aufbringen, um geeignete Stipendien zu recherchieren und dich darauf zu bewerben. Die Kriterien können sehr unterschiedlich sein; gute Noten spielen oft eine Rolle, aber du musst nicht hochbegabt sein!
Stipendien-Datenbanken findest du bei e-fellows.net oder bei myStipendium.
Einige wenige Stipendien richten sich explizit an behinderte Menschen, wie zum Beispiel das Google Europe Scholarship for Students with Disabilities.
Die meisten Stipendien richten sich gleichermaßen an behinderte und nicht-behinderte Studierende. Manche davon richten sich nur an Studierende bestimmter Fächer oder in bestimmten Phasen des Studiums. Aber wenn du die harten
Kriterien erfüllst, kann sich eine Bewerbung lohnen.
Übrigens: Manche Stipendien werden aufs BAföG angerechnet, andere nicht (mehr dazu hier). Aber auch wenn ein Stipendium angerechnet wird, lohnt es sich, denn das Stipendium musst du nicht zurückzahlen.
Nebenjob
Ich muss ehrlich sagen, dass ich während dem Studium nie einen echten Nebenjob hatte und das auch nicht geschafft hätte. Während meines Studiums habe ich über längere Zeit ehrenamtlich im Autismus-Bereich gearbeitet und dann auch Autismus-Kultur aufgebaut, und ich habe damals mein Studium völlig vernachlässigt. Ich habe dabei aber so viele Erfahrungen gesammelt, dass ich im Nachhinein sagen würde: Ja, das war es wert.
Vielen Studierenden im Autismus-Spektrum fällt es schwer, neben dem Studium noch einen Job zu haben. Es kann unter Umständen funktionieren, wenn du einen Job findest, der für dich richtig gut geeignet ist.
Einige Beispiele:
- Ein Job, der wenig soziale Interaktion erfordert. In den Semesterferien kann es sich zum Beispiel richtig lohnen, in einer Produktionshalle zu arbeiten – wenn du mit dem sensorischen Umfeld klarkommst.
- Ein Job im Hochschulumfeld, der dir gleichzeitig für dein Studium oder deine weitere Berufslaufbahn nützlich ist (zum Beispiel eine HiWi-Stelle, oder ein Job bei einem Forschungsprojekt, in der Uni-Bibliothek oder einem Archiv). Diese Stellen können begehrt sein und einige kommen nur für höhere Semester infrage. Es kann aber eine tolle Chance sein, und du solltest nach Stellenangeboten Ausschau halten, die für dich geeignet sind.
- Mit bestimmten Fähigkeiten kannst du Geld dazuverdienen, zum Beispiel durch Schreiben, Korrekturlesen, Übersetzen, Nachhilfe, Programmieren und ähnliches. Achte darauf, dass du pro Stunde genug verdienst, damit es sich lohnt.
Das sind nur Beispiele, lass dich davon nicht einschränken.
Und andererseits: Mute dir nicht zu viel zu. Nur weil viele andere Studierende einen Nebenjob haben, bedeutet das nicht, dass du das auch machen musst oder kannst.
Vorteile von Nebenjobs
- Das Offensichtliche: Du hast mehr Geld. Vielleicht hast du gar keine Wahl, sondern bis auf deinen Nebenjob angewiesen.
- Du sammelst Erfahrungen in der Arbeitswelt.
Nachteile von Nebenjobs:
- Du hast weniger Zeit für Studium und Erholung.
- Du musst deine Aufmerksamkeit auf stärker verteilen. Die Stärke autistischer Menschen liegt oft darin, sich auf eine einzelne Sache zu fokussieren.
Falls du einen Nebenjob machen willst, informiere dich über aktuelle Regelungen:
- Wie viele Wochenstunden darfst du arbeiten, um weiterhin als Student*in zu gelten?
- Wie viel darfst du verdienen, ohne dass dein Kindergeld gestrichen wird?
- Wie viel darfst du verdienen, ohne dass dein BAföG gestrichen wird?
- Minijob oder Midi-Job: Welche finanziellen Auswirkungen hat das?
- Wie sieht es aus, wenn du die Semesterferien durcharbeitest?
- Hast du Anspruch auf den Mindestlohn?
Diese und ähnliche Informationen findest du bei der Verbraucherzentrale und der Agentur für Arbeit.
Andere staatliche Leistungen
Wenn du dich in Ausbildung befindest, hast du Anspruch auf Kindergeld, bis du 25 bist. Wenn du autistisch bist und deinen Lebensunterhalt deshalb nicht selbst bestreiten kannst, besteht ein Anspruch auch darüber hinaus.
Unter bestimmten Umständen kannst du während deines Studiums Wohngeld bekommen. Das ist ein Zuschuss zur Miete, den du nicht zurückzahlen musst. Im Falle von Wohneigentum kannst du einen Zuschuss zu den Betriebskosten bekommen.
Einen Anspruch auf Wohngeld hast du prinzipiell nur, wenn du keinen Anspruch auf BAföG hast. Du brauchst für die Beantragung den Ablehnungsbescheid des BAföG-Amts.
Weitere Voraussetzungen für den Bezug von Wohngeld sind bestimmte Einkommens- und Vermögensgrenzen.
Unter Umständen hast du Anspruch auf weitere staatliche Leistungen. Das hängt sehr von deinen individuellen Lebensumständen ab, zum Beispiel, ob du Kinder hast.
Duales Studium
Manche Fächer kannst du als duales Studium absolvieren. Bei einem dualen Studium verbringst du einen Teil deiner Zeit an der Hochschule, den anderen Teil in einem Betrieb. Im Betrieb arbeitest du mit und sammelst so wertvolle Praxiserfahrungen. Diese Arbeit wird bezahlt.
Wie viel du verdienst, kann sehr unterschiedlich sein. Im Wegweiser Duales Studium findest du Gehaltsbeispiele und Hinweise, worauf du in diesem Zusammenhang achten musst.
Du solltest die Entscheidung für oder gegen ein duales Studium möglichst nicht nur aus finanziellen Gründen treffen. Ein duales Studium bringt zusätzliche Herausforderungen, gerade für autistische Studierende. Aber gleichzeitig bringt es auch den großen Vorteil, dass du schon während dem Studium Praxiserfahrungen sammeln kannst und der Berufseinstieg oft einfacher ist.
Studienkredit
Studierende ohne Einkommen können auch einen Kredit beantragen, um ihr Studium abzuschließen. Standard ist hier der KfW-Studienkredit.
Den Kredit musst du später zuzüglich Zinsen zurückzahlen. Wenn man sich für einen Studienkredit entscheidet, sollte man sich also schon sehr sicher sein, dass man nach dem Studium in der Lage sein wird, den Kredit zurückzuzahlen.
Für autistische Menschen ist der Berufseinstieg oft alles andere als ein Selbstläufer. Einen Kredit sehe ich persönlich hier als Risiko, dass ich vermeiden würde.
Hartz 4 im Studium, geht das?
Normalerweise haben Studierende während ihres Studiums keinen Anspruch auf Hartz 4. Denn nur wer dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht, kann Hartz 4 bekommen. Bei einem Vollzeitstudium ist das nicht der Fall, bei einem Teilzeitstudium dagegen schon – so entschied das Landessozialgericht Hessen 2020 (AZ L 9 AS 535/20 B ER).
Woran dich natürlich niemand hindern kann, ist eine autodidaktische Weiterbildung. Viele Unis bieten inzwischen kostenlose Lehrveranstaltungen online an, sogenannte MOOCs. Nur falls du ein Zertifikat/Credits willst, musst du etwas bezahlen.
Grundsicherung im Studium, geht das?
Eine Person, die Grundsicherung wegen Erwerbsunfähigkeit bezieht, verliert den Anspruch auf Grundsicherung, wenn sie ein Vollzeitstudium beginnt. Ein Teilzeitstudium sollte möglich sein, allerdings habe ich hier keine eindeutige Regelung oder ein Urteil gefunden.
Es ist nicht besonders logisch, dass man den Anspruch auf Grundsicherung verliert, wenn man ein Vollzeitstudium beginnt – denn wenn man erwerbsunfähig ist, steht man dem Arbeitsmarkt ja sowieso nicht zur Verfügung. Zumindest derzeit ist es aber so.
Ein weiteres mögliches Problem: Wer als dauerhaft voll erwerbsgemindert eingestuft wird, hat keinen Anspruch auf Hilfen zur Hochschulausbildung (zum Beispiel eine Studienassistenz). Auch auf spätere Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben besteht kein Anspruch.
Autismusbedingter Mehrbedarf: Eingliederungshilfe
Die Eingliederungshilfe finanziert dir nicht deine Lebenshaltungskosten während des Studiums – dafür gibt es das BAföG. Das gilt auch dann, wenn du keinen Anspruch auf BAföG hast.
Trotzdem kann die Eingliederungshilfe für autistische Studierende ein wichtiger Kostenträger sein, nämlich für die Finanzierung einer Studienassistenz. Auch für die Finanzierung etwaiger Therapien und technischer Hilfsmittel, die du für das Studium brauchst, ist die Eingliederungshilfe zuständig.
Zuletzt bearbeitet am 10.05.2023.
Linus Mueller befasst sich seit 20 Jahren mit Autismus. Er hat hat sein Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin mit einer Magisterarbeit über Autismus und Gender abgeschlossen und in mehreren Autismus-Organisationen gearbeitet, bevor er Autismus-Kultur gründete. Linus ist selbst autistisch und Vater eines fabelhaften Kindes. Mehr über Linus