Autismusgerechte Hochschulen: Barrieren abbauen
Wenn von einem behindertengerechten Campus die Rede ist, denken die meisten Menschen daran, Aufzüge für Rollstuhlfahrer*innen einzubauen. Die sind natürlich wichtig, aber Barrierefreiheit endet nicht hier. Viele Menschen mit anderen Behinderungen haben andere Bedürfnisse – zum Beispiel autistische Menschen.
Inhaltsverzeichnis
Wie man einen Campus autismusgerecht macht
In einigen Ländern erkennen mehr und mehr Hochschulen die Notwendigkeit an, sich auf autistische Studierende einzustellen, in anderen (noch) nicht.
Das Niveau der Unterstützung und des Bewusstseins kann je nach Hochschule variieren. Dies kann auf Unterschiede bei der Finanzierung, den Ressourcen oder dem Wissen über Autismus zurückzuführen sein.
Hier sind ein paar Tipps für zuständige Universitätsmitarbeitende, wie Hochschulen autismusgerechter gestaltet werden können.
Autistische Menschen mit einbeziehen
Ein guter erster Schritt, um eine Hochschule autismusgerechter zu machen, ist, autistische Menschen auf dem Campus zu finden. Der Behindertenbeauftragte der Hochschule kann dabei eine hilfreiche Ressource sein. Sie dürfen zwar nicht die Diagnose von Studierenden ohne deren Zustimmung mitteilen, aber sie können an Selbsthilfegruppen verweisen oder autistische Studierenden zu einem gemeinsamen Gespräch einladen.
In allgemeinen Selbsthilfegruppen sind zwar vielleicht keine Studierenden deiner Hochschule, aber du kannst von autistischen Menschen nützliche Ratschläge und Ansichten darüber erhalten, was einen autismusfreundlichen Raum ausmacht.
Ebenfalls sinnvoll ist es, von anderen Hochschulen, die ihren Campus autismusfreundlicher gemacht haben, zu lernen, sich inspirieren und beraten zu lassen.
Diskutiert über gemeinsame Herausforderungen
Sobald du andere Menschen kennengelernt hast, versuche, eine Gruppe zu bilden, um herauszufinden, welche Aspekte des Studiums für Autist*innen verbessert werden können. Menschen im Autismus-Spektrum sind zwar sehr unterschiedlich und haben nicht den gleichen Unterstützungsbedarf, aber es ist wahrscheinlich, dass sie bestimmte Dinge ähnlich erleben.
Das soziale und sensorische Umfeld auf dem Campus, akademische Herausforderungen und Missverständnisse oder Stigmatisierung im Zusammenhang mit Autismus sind häufige Probleme.
Autismusfreundliche Maßnahmen
Ruheräume
Ruheräume sind ausgewiesene Bereiche, die Autist*innen nutzen können, um sich zurückzuziehen, wenn sie sich sensorisch überladen fühlen oder einen ruhigen Raum zum Stimming brauchen.
Oft wird angenommen, dass ein Ruheraum zu teuer ist oder dass er viel Platz braucht. Das stimmt nicht.
Ein sensorischer Raum ist eine Umgebung, in der sich autistische Menschen sicher fühlen und beruhigen können. Dies kann entweder in einem eigenen Raum oder in einer bestimmten Ecke eines Zimmers sein. Du solltest dich dafür einsetzen, dass ein leeres Klassenzimmer oder ein Raum in einem Uni-Gebäude für diesen Zweck genutzt wird.
Sensory Pods
Sensory Pods sind individuell eingerichtete, sensorisch ansprechende, geschlossene Räume, die die Studierenden ähnlich wie Ruheräume nutzen können. Die Dublin City University, die erste autismusfreundliche Universität der Welt, hat drei dieser Räume auf ihrem Campus eingerichtet, die von den Studierenden sehr positiv aufgenommen wurden. Sie sind zwar teurer in der Anschaffung, aber eine gute Investition in die Zukunft von Studierenden mit zusätzlichen Bedürfnissen.
Informationskampagnen
Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, falsche Vorstellungen über Autismus zu bekämpfen. Die Hochschule ist möglicherweise schon vertraut mit Informationskampagnen über die Auswirkungen von Problemen wie Angst und Depression. Ähnliches kann man mit neurodiversen Themen zu tun. Beziehe unbedingt autistische Menschen in die inhaltliche Planung dieser Kampagnen mit ein.
Zuletzt bearbeitet am 01.12.2023.
Linus Mueller befasst sich seit 20 Jahren mit Autismus. Er hat hat sein Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin mit einer Magisterarbeit über Autismus und Gender abgeschlossen und in mehreren Autismus-Organisationen gearbeitet, bevor er Autismus-Kultur gründete. Linus ist selbst autistisch und Vater eines fabelhaften Kindes. Mehr über Linus