Den Alltag organisieren: Haushalt, Essen und Leben
Möglicherweise ziehst du zum Beginn des Studium von zu Hause aus.
Damit kommen eine Reihe neuer Anforderungen auf dich zu – dein Geld selbst zu verwalten, einzukaufen, Essen zu machen, den Haushalt zu machen und für deine Gesundheit und deine Körperpflege zu sorgen.
Für autistische Studierenden können diese Dinge schwierig sein, besonders wenn man sich gleichzeitig den Herausforderungen des Studiums stellen muss.
Für manche sind sie der schwierigste Aspekt dieser neuen Lebensphase.
»Ich habe einen Flowchart, um sicherzustellen, dass ich morgens gewaschen bin, alle meine Sachen anhabe und die Bücher habe, die ich für meine Lehrveranstaltungen brauche. Wenn ich zu Hause etwas vergessen habe, haben meine Eltern mich daran erinnert; sie haben darauf geachtet, dass ich rechtzeitig aufstehe und etwas esse. An der Uni muss ich selbst daran denken, zu Abend zu essen, und niemand wird mich daran erinnern.«
Karline
Mit etwas Vorbereitung und Übung fallen diese Dinge leichter. Wäsche zu waschen ist kein Hexenwerk, aber es ist einfacher, wenn du es schon ein paar mal gemacht hast.
Übe diese Aufgaben deshalb, bevor du von zu Hause ausziehst. So siehst du auch, wo du Probleme hast und kannst, falls nötig, Unterstützung beantragen.
Inhaltsverzeichnis
Deine Finanzen verwalten
Ich habe an anderer Stelle darüber geschrieben, welche Möglichkeiten es gibt, das Studium zu finanzieren. Hier geht es darum, das Geld, das du monatlich zur Verfügung hast, zu effektiv zu verwalten.
Die Verwaltung deiner Finanzen ist eine wichtige Fähigkeit, um ein unabhängiges Leben zu führen. Alltägliche Notwendigkeiten können sich summieren und teuer werden. Umso wichtiger ist es, alle Ausgaben im Blick zu behalten, damit du genug Geld für Dinge hast, die du brauchst.
Mach dich zuerst mit den Grundlagen des Geldmanagements vertraut, wie z. B.:
- das Banking-Interface bedienen (Web, App oder Bankautomat),
- Geld überweisen (einschließlich Dauerüberweisungen),
- Kontoauszüge lesen,
- den Kontostand überprüfen,
- wie viel Bankgebühren deine Bank für bestimmte Dienstleistungen verlangt,
- den Unterschied zwischen Giro- und Sparkonten verstehen.
Ein Budget erstellen
- Um ein Budget zu erstellen, listet du zuerst alle deine Fixkosten, z.B. Miete, Stromabschlag, Internetzugang, Runkfunkgebühren etc.
- Dann berechnest du, wie viel Geld du übrig hast. Dieses Geld muss für Essen, Hygieneartikel, Bücher- oder Kopierkosten, Medikamentenzuzahlungen, möglicherweise ein Monatsticket für die öffentlichen Verkehrsmittel sowie für gelegentliche Ausgaben wie Kleidung, Fahrradreparaturen, Cafebesuche und alles andere ausreichen.
- Es kann helfen, sich für wiederkehrende Ausgaben (z.B. Essen) ein wöchentliches Budget festzulegen und dann zum Beispiel einen wöchentlichen Einkauf zu machen. Das ist übersichtlicher als ein Monatsbudget.
- Plane genug Geld ein, um vorhersehbare und unvorhersehbare größere Ausgaben tätigen zu können, z.B. Semestergebühren oder den Ersatz eines kaputten Haushaltsgeräts.
- Manchmal musst du Prioritäten setzen, z.B. zwischen Wünschen und Bedürfnissen.
- Es gibt viele Möglichkeiten, Geld zu sparen, z.B. indem du Möbel und andere Dinge gebraucht über Kleinanzeigen kaufst. Auch das Vergleichen von Strom- und anderen Tarifen spart dir übers Jahr viel Geld.
Es gibt viele Hilfsmittel, die dir helfen können, dein Budget im Griff zu behalten. Eine Excel-Tabelle oder ein einfaches Word-Dokuments kann eine effektive Methode sein, um deine Ausgaben zu verfolgen. Es gibt dafür auch zahlreiche Apps – am besten probierst du selbst aus, was für dich funktioniert.
Einkaufen
- Eine Einkaufsliste hilft dir nicht nur, dich an alles zu erinnern, was du besorgen musst, sondern spart auch Zeit im Laden, vor allem, wenn die Liste organisiert ist.
- Mach dich mit dem Layout des Supermarkts vertraut und schreibe die Einkaufsliste in der Reihenfolge, in der die Dinge im Laden zu finden sind.
- Achte besonders bei Artikeln, die du regelmäßig kaufst, darauf, welches Produkt günstig ist. Die Eigenmarken der Supermärkte sind oft am günstigsten, und über den Preis pro Gewichtseinheit (der meist klein am Preisschild steht) kannst du effektiv vergleichen.
Kochen und Ernährung
Du musst keine Sterneköch*in sein, um dir ein gutes Essen zu machen. Du solltest ein paar günstige Basics kochen lernen, z.B. Nudeln, Reis und Kartoffeln, dazu Gemüse je nach Saison und Geschmack.
- Lerne ein paar einfache Rezepte, z.B.
- Spaghetti mit Tomatensauce
- Reis mit Erbsen und Karotten
- Kartoffeln mit Spiegelei
- … oder was auch immer du magst.
- Es ist kein Problem, vorgeschnittenes Tiefkühlgemüse zu verwenden, wenn es dir lieber ist. Tiefkühlgemüse wird sehr frisch eingefroren und enthält deshalb oft mehr Vitamine als frisches Gemüse.
- An manchen Tagen muss es sehr schnell gehen oder du hast keine Energie zu Kochen. Es ist OK, hin und wieder eine Tiefkühlpizza zu essen. Weitere schnelle Gerichte sind z.B. Doseneintöpfe.
- Es ist ebenfalls effizient, die doppelte Menge zu kochen und die Hälfte am nächsten Tag zu essen oder einzufrieren.
- Suche nach einfachen Wegen, Obst und Gemüse in deine Ernährung zu integrieren – eine Banane ins Müsli, ein Apfel als schneller Snack zwischendurch, Tomaten auf das belegte Brot oder als Beilage zur Pizza.
Körperpflege und Gesundheit
Regelmäßige Körperpflege kann eine Herausforderung für junge Erwachsene im Autismus-Spektrum sein.
Es kann helfen, dir klare Routinen zu schaffen, möglicherweise mit einer morgendlichen und abendlichen Checkliste. Das ist besonders wichtig bei Gewohnheit, die zu deiner Gesundheit beitragen, zum Beispiel die Zähne zu putzen und eventuelle Medikamente einzunehmen.
In diesem Artikel erfährst du, was du tun kannst, um im Studium gesund zu leben.
Haushalt
Wäsche waschen, Geschirr spülen, staubsaugen und den Müll rausbringen – um nur einige zu nennen – sind alltägliche Aufgaben, die wir erledigen müssen, um in einer sauberen Umgebung zu leben. Die meisten Menschen tun das nicht gerne, aber trotzdem muss es gemacht werden.
- Auch wenn du alleine wohnst, kann ein Haushaltsplan sehr hilfreich sein. Wie oft planst du staubzusaugen, die Bettwäsche zu wechseln oder Wäsche zu waschen? Hilft es dir, z.B. den Samstag vormittag dafür einzuplanen oder willst du solche Aufgaben über die Woche verteilen?
- Idealerweise entwickelst du ein paar Routinen, z.B. gleich nach dem Essen abzuspülen, oder die volle Mülltüte an die Wohnungstür zu stellen, damit du sie nicht vergisst, wenn du raus gehst.
- Checklisten, Erinnerungshilfen oder visuelle Schritt-für-Schritt-Anleitungen bedeuten, dass du weniger Informationen im »Arbeitsspeicher« deines Gehirns speichern musst, und das schafft Platz und Energie für andere Dinge. Es kann auch bedeuten, dass du noch in der Lage bist, die Waschmaschine zu bedienen, wenn du nach einem stressigen Tag unkonzentriert bist. Deshalb: Wenn dir diese Dinge helfen, nutze sie!
- Ein gewisser Minimalismus kann helfen, den Überblick zu behalten und weniger Arbeit zu haben. Alle Dinge, die herumstehen, musst du in irgendeiner Weise pflegen (z.B. abstauben). Wenn dir der Haushalt schwerfällt, überlege, was wirklich nötig ist.
Die üblichen Arbeiten im Haushalt mögen einfach erscheinen, aber sie erfordern exekutive Funktionen – etwas, womit viele autistische Menschen Schwierigkeiten haben. Das zu wissen, hilft dir nicht, um Dinge erledigt zu bekommen, aber es kann dir helfen, Verständnis für dich selbst zu finden.
Ja, für andere Menschen sind diese Dinge leichter als für dich. Es liegt in der Struktur deines Gehirns, dass sie dir schwerfallen, und nicht daran, dass du faul oder dumm wärst – das bist du nicht.
Und dein Wert als Mensch misst sich nicht daran, ob deine Wohnung aufgeräumt ist.
Grundlegende Reparaturen und Verständnis für Werkzeuge
Jede*r, der selbstständig lebt, sollte über eine Grundausstattung an Werkzeug verfügen, um einfache Reparaturen im Haus oder in der Wohnung durchzuführen. Es gibt viele Aufgaben im Haushalt, die man beherrschen sollte, z. B. das Wechseln einer Glühbirne, das Anziehen einer Schraube oder das Wechseln eines kaputten Fahrradschlauchs.
Youtube-Anleitungen können helfen, diese Dinge zu lernen. Für die Fahrradreparatur gibt es in vielen Städten auch Kurse oder Selbsthilfewerkstätten.
Öffentliche Verkehrsmittel nutzen
Viele Studierende nutzen die öffentlichen Verkehrsmittel. Mach dich mit dem Prozess und dem Verkehrsnetz vertraut.
- Bahn und Nahverkehrsgesellschaften haben in der Regel eine Website, auf der du Start und Ziel eingeben kannst, und Routenvorschläge bekommst.
- Du kannst Bus- und Bahnfahrpläne unterwegs auf dem Handy verfolgen.
- Wenn du dich leicht verläufst, übe deine Wege vorher und präge dir Orientierungspunkte und Straßennamen ein. Auch Wegbeschreibungen und Stadtpläne sind hilfreich.
- Öffentliche Verkehrsmittel können sensorisch unangenehm sein. Überlege dir, ob du Hilfsmittel wie geräuschdämmende Kopfhörer verwenden willst.
- Es ist gut, einen Plan für unerwartete Situationen zu haben, z.B. für den Fall, dass du deinen Zug verpasst.
Mögliche Unterstützung
Es kann sein, dass du zu dem Zeitpunkt, zu dem du dein Studium beginnst, noch nicht bereit bzw. in der Lage bist, komplett selbständig zu leben. Das ist OK, aber es ist etwas, dass du in deine Planung miteinbeziehen musst.
Je nach Situation kommen zum Beispiel folgende Möglichkeiten der Unterstützung infrage:
- Du kannst weiterhin bei deinen Eltern wohnen, wenn die Entfernung zum Studienort es erlaubt.
- Möglicherweise genügt es auch, wenn deine Eltern dich einmal die Woche oder bei bestimmten Aufgaben unterstützen.
- Du kannst ambulant unterstütztes Wohnen beantragen, um Unterstützung mit den Aspekten des selbständigen Lebens zu bekommen, mit denen du Schwierigkeiten hast.
- Auch eine Ergotherapie ist geeignet, um lebenspraktische Fähigkeiten zu erlernen.
- Möglicherweise kommt eine Autisten-WG, eine Wohngruppe, ein Wohntraining oder andere Formen des unterstützten Wohnens infrage.
Idealerweise findest du geeignete Unterstützung bereits bevor du von zu Hause ausziehst. Aber auch wenn du bereits in einer eigenen Wohnung lebst und feststellst, dass du nicht zurechtkommst, kannst du Unterstützung beantragen.
Zuletzt bearbeitet am 01.12.2023.
Linus Mueller befasst sich seit 20 Jahren mit Autismus. Er hat hat sein Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin mit einer Magisterarbeit über Autismus und Gender abgeschlossen und in mehreren Autismus-Organisationen gearbeitet, bevor er Autismus-Kultur gründete. Linus ist selbst autistisch und Vater eines fabelhaften Kindes. Mehr über Linus