Überleben an der Uni: Studieren mit Autismus
Keines dieser Probleme ist unlösbar, aber es ist viel einfacher, damit umzugehen, wenn du darauf vorbereitet bist.
Selbständig Wohnen
- Wenn du zum ersten Mal von zuhause weg wohnst, hast du vielleicht Schwierigkeiten, Aufgaben wie beispielsweise Essen einkaufen, Wäsche machen usw. zu planen und zu organisieren.
- Wenn du in einem Studentenwohnheim wohnst, sind einige dieser Aufgaben vielleicht einfacher (z.B. durch Mensen), aber gemeinsames Wohnen mit anderen bedeutet oft einen Mangel an Privatsphäre und Alleinsein, und mit den Mitbewohnern zurechtzukommen, kann schwierig sein.
Gesundheit
- Sich ausgewogen zu ernähren, kann sehr schwierig sein. Viele Menschen mit Asperger Syndrom/High Functioning Autismus tendieren dazu, zu vergessen zu essen, oder viel zu viel oder viel zu wenig zu essen. Jeden Tag die gleiche Nahrung zu essen oder nur wenige verschiedene Nahrungsmittel zu essen, kann dazu führen, dass es einem an lebenswichtigen Nährstoffen mangelt.
- Wenn du nicht zuhause oder in der Nähe davon wohnst, wirst du zu einem neuen Arzt gehen müssen, wenn du krank bist oder ein Rezept für ein Medikament brauchst.
Soziale Kontakte
- Du wirst eine Menge neuer Leute treffen müssen (das ist noch schlimmer, wenn du eine Tendenz zur Prosopagnosie (Gesichtsblindheit) hast), und mit der sozialen Umgebung zurechtzukommen, kann schwierig sein. Ein Vorteil ist, dass andere Studierende oft viel toleranter sind gegenüber »Merkwürdigkeiten« als in der Schule.
Sexualität
- Das Studium kann eine Zeit sein, in der Fragen der Sexualität in den Vordergrund rücken, besonders für Studenten und Studentinnen mit High Functioning Autismus/Asperger Syndrom, die in dieser Hinsicht oft »Spätentwickler« sind. »Sex, Sexuality and the Autism Spectrum« ist ein nützliches Buch, übrigens auch, wenn du denkst, dass du vielleicht lesbisch, schwul oder bisexuell bist.
- Wenn du (freiwillig oder unfreiwillig) keine Partnerschaft hast, wie viele Menschen mit High Functioning Autismus/Asperger Syndrom, bekommst du an der Universität leicht den Eindruck, das jeder einer Beziehung hat außer dir. Wenn das deprimierend wird, lies die Involuntary Celibacy Website (Anmerkung von Autismus-Kultur: Wir empfehlen die Incel-Bewegung in keinster Weise. Dieser Artikel ist schon alt und Incel hatte damals noch nicht dieselben Konnotationen wie heute). Oder versuche, andere Aspies kennenzulernen und vielleicht zu daten.
- Jeder, der naiv oder verletzlich erscheint, wird besonders leicht zum Opfer von Verbrechen, Missbrauch oder Ausbeutung (das gilt sowohl für Männer als auch für Frauen).
Friends
Raping Friends – Could It Happen To You? hat klare und vernünftige Richtlinien für beide Geschlechter, wie man einer Vergewaltigung bei einer Verabredung vorbeugt, was an vielen Universitäten ein besonderes Besorgnis ist.
Stress
- Universitäten können für jeden anstrengend sein, aber ein hoher Level an Ängstlichkeit (den viele Menschen mit High Functioning Autismus/Asperger Syndrom haben) kann es natürlich noch schwieriger machen, damit zurechtzukommen. Die Anxiety Panic Internet Resource hat glänzende Informationen und Beratung, wie man Stress und Angst umgehen kann. Studierendenberatungen geben nützliche Tipps zu Prüfungsangst und dem Umgang mit Stress.
- Regelmäßiger Sport hilft einigen Menschen im Autismus Spektrum, Angst und Hyperaktivität abzubauen. Es kann auch hilfreich sein, eine sozial akzeptable Form der Selbststimulierung zu finden, wie beispielsweise auf einer Gartenschaukel oder einem Schaukelstuhl zu schaukeln oder auf einem kleinen Trampolin auf und ab zu springen.
Alkohol und Drogen
- »Gruppenzwang« gegenüber relativ immun zu sein, lässt es vielleicht vordergründig weniger wahrscheinlich zu erscheinen, dass wir Alkohol oder illegale Drogen missbrauchen, aber Menschen können diese Substanzen auch missbrauchen als Versuch, mit Stress zurechtzukommen, als Versuch der Selbst-Medikation, oder der Bewältigung sozialer Situationen (Gunilla Gerland beschreibt das in ihrer Autobiografie »Ein richtiger Mensch sein«).
- Was auch immer deine moralische Ansicht über illegalen Drogenkonsum ist, solltest du dir darüber bewusst sein, dass der medizinische Standard-Ratschlag ist, dass jemand, der einen hohen Level an Ängstlichkeit hat, zu Paranoia neigt, Depressionen hat und/oder ein mentales/emotionales Problem hat (eine Kategorie, die so ziemlich jeden im Autismus Spektrum mit einschließt) keine illegalen Drogen nehmen sollte – offenbar kann es zu ernsthaften und erschreckenden Nebenwirkungen wie psychotische Episoden (ich persönlich finde meine Denkweisen auch so schon merkwürdig genug…). Eine Person berichtete, dass von den sechs Menschen mit Asperger-Syndrom, die er kannte, die verschiedene »Straßen-Drogen« einschließlich Marihuana genommen hatten, alle sechs Symptome von Paranoia erlebten, in einem Fall dauerte dies mehrere Wochen an.
Hinweis: Dieser Text basiert ausschließlich auf persönlicher Erfahrung. Was für eine Person funktioniert oder ihr Probleme verursacht, kann für eine andere ganz anders aussehen.
Vielen Dank an die Autorin für die Erlaubnis, diesen Artikel zu veröffentlichen. Der Text bezieht sich auf Großbritannien, in Deutschland können manche Dinge anders sein. Links wurden, wenn mir vergleichbare deutschsprachige Ressourcen bekannt waren, durch eben diese ersetzt.
Zuletzt bearbeitet am 02.02.2022.
Clare Sainsbury ist Autorin des Buchs Martian In The Playground, in dem 25 Menschen im Autismus-Spektrum über ihre Schulerfahrungen berichten. Sie las über das Asperger-Syndrom, als sie 20 Jahre alt war und erkannte sich darin wieder. Heute engagiert sie sich für Menschen im Autismus-Spektrum in Großbritannien.