Wir sind autistisch und das ist gut so.

Planst du dein Studium und bist autistisch? Hier findest du eine umfassende Checkliste, die dir bei der Vorbereitung hilft: Behalte alle wichtigen Punkte im Blick.

Ich gehe hier davon aus, dass du dich (falls notwendig) bereits beworben hast und weißt, an welcher Uni du studieren wirst.

Vor Semesterbeginn

Räumlichkeiten

  • Lade eine Karte von der Uni-Website herunter.
  • Erkunde die Uni. An den meisten Unis ist es kein Problem, einfach vorbeizukommen und sich die öffentlichen Bereiche anzusehen. Wenn du dich damit nicht wohl fühlst, gehe an einem Tag der offenen Tür oder vereinbare einen Besuch. Es ist auch möglich, Familie oder Freunde mitzubringen.
  • Finde die Bibliothek, die Hörsäle und Toiletten.
  • Finde die Mensa, die Cafeteria und den PC-Pool.
  • Falls dir Mensa und Cafeteria zu laut sind, finde alternative Orte, wo du essen und eine Pause machen kannst. (Wahrscheinlich ist in der vorlesungsfreien Zeit alles ruhig, in der Vorlesungszeit aber besonders zu Stoßzeiten möglicherweise laut, unruhig und belebt.)
  • Finde einen ruhigen Ort, wo du Stress abzubauen und dich von sensorischer Überlastung erholen kannst.
  • Übe die Anfahrt zur Uni und zurück.

Mehr darüber findest du im Artikel: »Den Campus erkunden».

Studieninformationen

  • Lies die Informationen für Studieninteressierte und Studienanfänger*innen auf der Uni-Website.
  • Lies dir das Immatrikulationsschreiben gut durch. Darin steht, welche Unterlagen du brauchst, um dich einzuschreiben. Stelle alle Unterlagen zusammen.
  • Wenn möglich, schreibe dich zu Beginn der Immatrikulationsfrist ein. Die meisten schreiben sich in den letzten Tagen ein, und das kann bedeuten, stundenlang in einem engen Flur zwischen Hunderten anderen Studierenden Schlange stehen zu müssen.
  • Nimm an Informationsveranstaltungen vor der Einschreibung teil, die für deine Fachrichtung relevant sind.
  • Lies die Studienordnung und die Prüfungsordnung für dein Fach in Ruhe durch, damit es später keine bösen Überraschungen gibt. Hier stehen die Regeln für dein Studium, zum Beispiel welche Veranstaltungen du im Laufe deines Studiums besuchen musst, ob du ein Praktikum machen musst oder Sprachkenntnisse nachweisen musst.
  • Finde ein Vorlesungsverzeichnis für dein Fach. Meistens findest du es online.
  • Stelle dir deinen gewünschten Stundenplan zusammen.
  • Welche Kurse musst du besuchen? Trag sie in deinen Stundenplan ein. Trag erst danach die optionalen Kurse ein.
  • Wie viele Kurse möchtest du besuchen? Überlege, was du schaffen kannst und nimm dir nicht zu viel vor.
  • Wenn du dir nicht sicher bist, wie du deinen Stundenplan gestalten sollst, kontaktiere die Studienfachberatung.
  • Prüfe, ob für bestimmte Kurse eine Anmeldung notwendig ist. Wenn das so ist, melde dich möglichst früh an – manchmal reichen die Plätze nicht für alle. Achte in jedem Fall auf die Fristen.
  • Prüfe, ob dein Fachbereich Sommerkurse für Erstsemester anbietet. Wenn ja, melde dich an. Es ist eine gute Vorbereitung auf das Studium.

Allgemeines

Unterstützung

  • Überlege dir, ob du offenlegen willst, dass du autistisch bist (bei Lehrenden und/oder Mitstudierenden). Mehr dazu: Autismus-Coming-Out an der Uni: Vor- und Nachteile (+ Outing-Strategie)
  • Überlege, welche Unterstützung du brauchst. (Es kann sein, dass du später feststellst, dass du mehr oder weniger Unterstützung brauchst. Geh von deinem jetzigen Wissen aus.)
  • Wenn du eine Studienassistenz brauchst, beantrage sie über die Kostenträger (Jugendhilfe, Sozialhilfeträger). Anbieter von Studienassistenz können dir oft beim Antrag helfen.
  • Überlege, ob du ambulant unterstütztes Wohnen brauchst.
  • Informelle Unterstützung durch deine Eltern kann sehr wertvoll sein (wenn ihr euch gut versteht). Es hilft sehr, eine vertraute Person zu haben, mit der du regelmäßig Dinge durchsprechen kannst.
  • Wende dich an die Beratung für Studierende mit Behinderung, um zu erfragen, ob die benötigten Nachteilsausgleiche möglich sind und welche Unterlagen dafür nötig sind (z.B. Diagnose, Schwerbehindertenausweis). Du kannst eine erste Anfrage per E-Mail schicken. Die Beratung gibt diese Informationen ohne dein Einverständnis nicht weiter..

Tipp: An vielen Unis ist eine solche Beratungsstelle in der zentralen Studienberatung angesiedelt. Manche Fachrichtungen haben außerdem eine gesonderte Beratung. Auch im AStA gibt es oft eine Beratung für Studierende mit Behinderung.

Finanzierung

  • Mach eine Aufstellung, welche Kosten hast – zum Beispiel Miete, Krankenversicherung, Strom, Internet, Rundfunkbeitrag, Studiengebühren, Bücher und andere Lehrmaterialien, Fahrtkosten, Essen und Kleidung.
  • Prüfe, ob du Anspruch auf Bafög hast. Wenn ja, fülle den Antrag aus, stelle die Unterlagen zusammen und schicke ihn ab, sobald du eingeschrieben bist.
  • Tipp: In manchen Fällen ist es sinnvoll, einen Bafög-Antrag zu stellen, auch wenn du weißt, dass du keinen Anspruch hast. Du brauchst unter Umständen den Bafög-Negativbescheid, um etwas anderes zu beantragen, zum Beispiel Wohngeld.
  • Prüfe, ob du Anspruch auf Wohngeld hast.
  • Prüfe, ob du ein Stipendium bekommen kannst. Fülle die Bewerbungen aus und schicke sie ab.
  • Prüfe, ob du Anspruch auf behinderungsbedingten Mehrbedarf nach SBG 2 hast. Wenn ja, fülle den Antrag aus und schicke ihn ab, sobald du eingeschrieben bist.
  • Prüfe, ob du Anspruch auf behinderungsbedingten Mehrbedarf nach SBG 9 hast. Darunter fällt zum Beispiel eine Studienassistenz. Wenn ja, fülle den Antrag aus und schicke ihn ab, sobald du eingeschrieben bist.
  • Unterstützen dich deine Eltern finanziell?
  • Bei der Einschreibung hast du die Möglichkeit, in die gesetzliche Krankenkasse zu wechseln, falls du bisher (zum Beispiel über deine Eltern) privat versichert warst. Recheriere, welche Folgen die unterschiedlichen Arten der Krankenversicherung haben und entscheide, was besser für dich ist.

Hier findest du Tipps zur Studienfinanzierung für Menschen im Autismus-Spektrum.

Zu Beginn des Semesters

  • Nimm an den Orientierungstagen für Erstsemester teil. Orientierungsveranstaltungen kann es von mehreren Stellen aus geben: zum Beispiel der Gesamt-Uni, deinem Fach, deiner Fachschaft, dem AStA, der Bibliothek oder dem PC-Pool.
  • Tipp: Besonders wichtig ist die Orientierungsveranstaltung deines Fachs und die der Bibliothek. In der Fachschaft und dem AStA geben andere Studierende dir möglicherweise wertvolle Tipps, die du von offizieller Stelle so nicht kommuniziert bekommst.
  • Finde die Kontaktdaten der Mitarbeitenden, die dir bei Bedarf helfen können (deine Ansprechpersonen).
  • Gibt es noch Gesprächsbedarf mit der Beratung für behinderte Studierende? Wenn ja, vereinbare einen Termin.
  • Hol dir einen Studentenausweis. (Falls er dir nicht bereits zugeschickt wurde.)
  • Mache für jeden deiner Kurse eine Kopie der Vorlesungsübersicht.
  • Besorge dir alle Lehrmaterialien, die du benötigst, zum Beispiel Lehrbücher, Skripte und Übungsaufgaben.
  • Im Studium wirst du eine Menge Papier bekommen, zum Beispiel Handouts, Mitschriften und Übungsblätter. Besorge dir ein paar Ordner und lege die Unterlagen nach Veranstaltungen sortiert ab. Einen Ordner solltest du für allgemeine Studienunterlagen vorhalten, wie zum Beispiel die Prüfungsordnung.
  • Erstelle einen Semester-Planer, in den du alle wichtigen Termine einträgst. Zum Beispiel Referate, Klausurfragestunden, Zeiträume für Prüfungsanmeldungen, Prüfungen und Klausuren oder Abgabetermine für Hausarbeiten einträgst und die dafür nötige Vorbereitungszeit markierst. Trage auch Anfang und Ende der Vorlesungszeit sowie die Rückmeldefrist für das nächste Semester ein.
  • Auch eine App mit Erinnerungsfunktion kann als Planer hilfreich sein.
  • Schreibe weiterhin alle aufkommenden Fragen auf eine Liste. Notiere die Ansprechperson dazu und entscheide dich, wann und wie du fragen willst (persönlich, telefonisch oder per E-Mail)
  • Unis bieten oft auch Freizeitaktivitäten an, zum Beispiel Hochschulsport oder Clubs. Auch der AStA und die Fachschaften organisieren Veranstaltungen. Sieh nach, ob etwas Interessantes für dich dabei ist.

Während des gesamten Semesters

  • Mache jede Woche einen Wochenplaner. Wirf dabei einen Blick auf deinen Semester-Planer, damit du keine wichtigen Termine verpasst.
  • Stelle sicher, dass du die Aufgaben und Bewertungskriterien verstehst und wenn nicht, wende dich an das Lehrpersonal oder eine Tutor*in.
  • Übe regelmäßig Techniken zur Stressreduzierung.
  • Erinnere dich an deine Stärken, Talente und Fähigkeiten.
  • Überlege dir, ob du eine Lerngruppe haben willst. Wenn ja, frage ein paar Studierende, mit denen du schon Kontakt hattest, ob sie Interesse daran hätten, oder schließe dich einer bestehenden Gruppe an.
  • Hol dir bei Bedarf zusätzliche Unterstützung – wenn du dich überfordert, stark gestresst oder unsicher fühlst.
  • Nimm dir Zeit für Entspannung und Erholung.

Zuletzt bearbeitet am 17.05.2023.

Linus Mueller, M.A.

Linus Mueller befasst sich seit 20 Jahren mit Autismus. Er hat hat sein Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin mit einer Magisterarbeit über Autismus und Gender abgeschlossen und in mehreren Autismus-Organisationen gearbeitet, bevor er Autismus-Kultur gründete. Linus ist selbst autistisch und Vater eines fabelhaften Kindes. Mehr über Linus